Die Sonne stand hoch am Firnament und tauchte das Land in goldenen Glanz. Das strahlende Blau des Himmels wurde nur hier und da von einem weißen Wolkenfetzen unterbrochen. Der Markgraf stand auf dem obersten Zinnenkranz des Torhauses, die Hand auf den kühlen Stein des Mauerwerks gelegt. Dieser Teil der Wehr hatte den ganzen Morgen im Schatten gelegen. Die Nachmittagssonne würde die uralten Steine erwärmen, aber noch strahlte die Brustwehr wohltuende Kühle aus. Fast schien es ihm als ginge die Kraft des alten, wehrhaften Gemäuers durch seine Hand auf ihn über. Als teile die Burg trutzige, urbändige Kraft mit ihrem Herrn. Der Blick Roderichs war auf den Weg gerichtet, der seine Burg mit der alten Reichsstraße verband. Die Räder der Karren hatten zwei parallele Furchen durch die Landschaft gezogen. Nicht gerade; an manchen Stellen wich der Weg natürlichen Hindernissen aus, einer Baumgruppe, einem kleinen Hügel oder der kleinen, mit Sand gefüllten Senke in der die Kinder des Gesindes so gern spielten. Von seiner erhöhten Position konnte er fast alle Biegungen einsehen, bis hin zu der Stelle, an der die Wagenspuren auf die Kopfsteine der Strasse stießen. Irgendwo da musste er auftauchen. Roderich biss sich einen Fluch von der Lippe. Die späte Ankunft eines Geistliche zu verfluchen, dafür würde er wieder Büßen müssen, im schlimmsten Falle durch Füttern des Opferstockes mit Kupfer oder Silber. Nein das war der Fluch nicht wert. Aber wo blieb dieser dreimal verdammte Bruder? Vor Wochen hatte er einen Boten entsandt. Verruchte 14 Kupfer hatte ihn dieser faule Taugenichts von einem Boten gekostet. Nicht einmal die Tatsache, es sei eine Heilige Mission hatte diesen gottlosen Mann dazu bewogen einen besseren Preis zu machen. Und dann der Anteil für Papier und Tinte, Siegelwachs wuchs auch nicht auf Bäumen und wofür? Seit einer Woche verbrachte er seine Tage auf dem Torhaus und starrte Löcher in die Landschaft.
Dem Bruder war hoffentlich nichts zugestoßen. Die Strassen des Reiches waren gefährlich. Wegelagerer, Orks und noch finstereres Gelichter lauerten jeder rechtschaffenen Seele auf, die längere Reisen erwog. Aber der Bruder hatte ja überirdischen Beistand, sogar auf dem Fest der Drachen war dieser Beistand allgegenwärtig gewesen. Nein ihm war nichts zugestoßen, da war sich Roderich sicher. Vor zwei Wochen hatte er die Nachricht erhalten. Von einem Schreiber in Serbonne verfasst. Da stand:

Euer Durchlaucht:
Bruder Wittrek vom Orden der Leodane bat mich Euch untertänigst mit zu teilen: der Eyne lenke seine Schritte in der fünften Woche ab dem heutigen Tage an in Eure Ländereien und er werde Euch zu dieser Zeit auf Eurer Burg seine Aufwartung machen:
Euer ergebener Diener:
Pierre de Serbonne: Schreiber und Notarius der freien Stadt Serbonne



Das Datum der Nachricht war eindeutig, Bruder Wittrek hätte letzte Woche schon eintreffen müssen. Da, eine Bewegung auf der Reichsstraße zog die Aufmerksamkeit Roderichs auf sich. Kein Zweifel, im Gleißen der Mittagssonne näherte sich eine einsame Gestalt. Als sie den Abzweig erreichte, konnte Roderich mehr Einzelheiten erkennen. Ein in staubige Gewänder gekleideter Reiter auf einem Esel. Ein weiterer Esel für Gepäck folgte dem Reittier nach, wohl durch eine Strick mit ihm verbunden. Als Schutz vor der Sonne hatte der Reisende eine Kapuze weit ins Gesicht gezogen, so dass weder Gesicht noch Schädel zu sehen war. Die Tonsur des Mönchs wäre auch in dieser Entfernung zu erkennen gewesen, da war sich Roderich sicher. Aber durch die Kapuze blieb die Identität des Reiters weiter verborgen. Derweil hatte der Reisende seine Tiere auf den Pfad zur Burg gelenkt, eine Hand hielt die Zügel, die andere eine kurze Rute mit der er den Takt der Eselschritte vorgab. Der Statur nach konnte es durchaus der lang Erwartete sein. Roderich verharrte noch einen Augenblick, dann strebte er eiligen Schrittes die Holztreppe hinunter zum Hof seiner Burg. Er musste dringend seiner Gattin Bescheid geben, Nein er musste seinen Dienern Bescheid geben, Nein er musste allen Bescheid geben.

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Bruder Wittrek war den ganzen Morgen den Biegungen der alten Reichsstrasse gefolgt. Wie Bauern am Wegesrand ihm erklärt hatten, thronte die Burg des Markgrafen auf einem natürliche Felsmassiv. Dieses Massiv überragte das umliegende Flachland und erlaubte Roderich den Stand der Ernte ebenso zu verfolgen, wie den Verkehr auf der nahen Reichsstrasse.
Gerste und Weizen standen auf den Feldern schon in voller Pracht und leuchteten mit der Sonne golden um die Wette. Die ganze Gegend strahlte satte Zufriedenheit aus und selbst die ärmsten Bauern hatten keine hohlen Wangen. Die Strasse hatte ihn die letzte Stunde durch ein kleines Wäldchen geführt und er beschloss auf einer schattigen Lichtung zu Rasten. Sobald Boe und Roe, seine beiden Esel versorgt und angepflockt waren, aß er die Reste des Trockenobstes und spülte sie mit Wasser aus seinem Schlauch hinunter. Das einfache Leben auf Reisen belastete ihn nicht mehr so wie noch vor Monaten und seine Gestalt hatte sich schon etwas gestrafft. Es spannte sich immer noch ein immenser Bauch über dem Ledergürtel aber er wachte nicht mehr jeden Morgen mit schmerzenden Muskeln und schlaffen Gliedern auf. Dafür dankte er still seiner Heiligen Leodane und richtete ein Dankgebet an den Einen, der ihn auf dieser Reise so wohl behütet hatte. Weit konnte es nicht mehr sein, da war sich der Mönch sicher. Wie Roderich ihn wohl empfangen würde? Er war sich über die Absichten des Adeligen immer noch nicht im klaren. Sicher er und seine Frau hatten großzügig gespendet und Wittrek hatte das Gefühl seine Gebete und Preisungen waren beim Markgrafen auf fruchtbaren Boden gefallen. Aber hatte er wirklich verstanden um was es ging? Die Gunst des Einen konnte man sich nicht erkaufen. Am Ende aller Tage würde die Seelenwage jede Seele richten, ob Reich oder Arm, ob Bauer oder Reichsfürst. Überwogen die guten Taten, hielt die Seele Einzug in die Ewigen Auen. Überwogen die schlechten erwatete den Unglücklichen der schmerzhafte Stoß ins absolute Nichts. Wittrek wusste, dass auch er noch viel zu büßen hatte. Ein Leben gewidmet der Gier und dem Eigennutz, immer auf der Suche nach etwas, mit dem er die Leere in seinem Herzen füllen konnte. Da war es mit ein paar guten Taten nicht getan. Aber seine Herrin, Sankt Leodane, hatte ihm das größte Geschenk gemacht. Sie hatte diese Leere angefüllt, hatte dem gebrochenen Kelch einen Boden gegeben, so dass er mit Ehrfurcht, Glauben und der Liebe zu den Heiligen des Einen gefüllt werden konnte. Wittreks Triebfeder war nicht mehr länger die Gier sondern der feste Wille Gutes zu tun und dabei zu helfen, möglichst viele Seelen vor dem Nichts zu bewahren. Sein Gesicht verfinsterte sich. Wenn noch vor einem Jahr, jemand zu ihm zu gesagt hätte, er würde einmal so denken. Wittrek hätte ihn wohl Rädern lassen um mit den Schmerzensschreien als Untermalung zu Abend zu speisen. Solch unverhältnismäßige Grausamkeit war ihm inzwischen so fremd, als habe jemand anders diese Gräueltaten befohlen, nicht er selbst. Als sei Wittrek vom Stein jemand anders, ein Vorfahr vielleicht, oder eine Verwandter den es zu ächten galt. Es half nichts, es waren sein grausamer Geist gewesen der solch ungeheuerliches Leid über andere gebracht hatte. Nicht zuletzt über die Leonitenbrüder im Kloster der Sankt Leodane zu Friedberg unter Bretonen auch als Cloître de saints Leodane à la montagne donjon bekannt. Wittrek hätte das Kloster wenig Interessiert. Auch nicht die Mönche, die dort lebten und im letzten bekannten Leonitenkloster nach den Lehren ihrer Schutzheiligen ein einfaches Leben führten. Wenn nicht der nahe gelegene Wald mit seinen Reichtümern gewesen wäre - Holz und Quarzsand - seit etwa 200 Jahren betrieb der Orden dort eine Glashütte. Die Art der Mönche, ihre Gottesfurcht durch Arbeit und Handwerkskunst zu zeigen, besiegelte ihren Untergang.

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Wittrek wusste genau, die Lehren der Mönche wiedersprachen dem Glaubenssatz der Ceriden. In den Augen der Hillariusiten waren die Mönche Abweichler, irgendwo zwischen der Ketzerei der Altceriden und den Verirrungen kleiner Ceridischer Sekten angesiedelt. Für die Bannkreuzer aber waren sie von Bozephalus verführte Häretiker der schlimmsten Sorte. Die Säuberung erfolgte schnell und Blutig. Die Abgelegenheit des Klosters machte Zurückhaltung auf der einen Seite aber auch einen Kirchenpolitischen Schauprozess auf der anderen Seite unnötig. Wittrek meinte den bestialischen Gestank der Scheiterhaufen bis heute riechen zu können, diesen Geruch würde er niemals vergessen können. Er war erst kurz vor den Hinrichtungen im Kloster erschienen um seinen Anteil zu sichern. Er hatte zwar in etlichen seiner denunzierenden Briefe darauf hingewiesen, welchen Lohn er für angemessen hielt, traute aber den Ceriden kein Stück. Beim betreten der alte Mauern bemerkte Wittrek keine Spuren irgendeines Kampfes. Die Mönche hatten keinen Wiederstand geleistet. Der Anklage des Inquisitors waren sie mit Schweigen begegnet, ebenso der darauf folgenden peinlichen Befragung. Weder der Abt, noch Prior, noch einer der einfachen Mönche schworen ab oder zeigten Furcht angesichts der Härte ihrer Peiniger.
Das Erlebnis aber, dass Wittrek bis in die Grundfesten seines Seins erschüttert hatte, sollte noch kommen. Mit Schaudern erinnerte er sich an die Gesichter der Gepeinigten. Sie waren im Klosterhof an Pfähle gebunden unter denen man Reisig und Stroh geschichtet hatte. Keiner der Unglücklichen war unverletzt. Ihre Glieder waren gebrochen, die Fingernägel heraus gerissen und sie starrten vor Schmutz und getrocknetem Blut. Sie waren so schwach, dass nur die Fesseln sie aufrecht hielten. Und dennoch, ihre Blicke waren ungebrochen. Sie zeugten von Erschöpfung und Leid aber auch von einer inneren Stärke, die Wittrek noch nie zuvor gesehen hatte. Diese Stärke, die selbst Folter und nahender Feuertod nicht erschüttern konnte, ängstigte Wittrek bis ins Mark. Der Gang über den von Scheiterhaufen gesäumten Klosterhof kam einem Spießrutenlauf gleich. Er versuchte den Blicken der Mönche auszuweichen als brächten sie ihm, sollte er sie erwiedern, den Tod. Als er das Ende seines Weges fast erreicht hatte, rannte Wittrek schon fast. Kalten Schweiß auf der Stirn, war jede Farbe aus seinem Antlitz gewichen. Die Hände zitterten als er die letzten Schritte überwandt, die ihn vom Inquisitor und der kleinen Gruppe Bannkreuzer trennten. Sie warteten auf ihn. Die schwarzen Überwürfe der Geistlichen schmückte das blutrote Augenkreuz des Ordens, Zeichen ihrer kirchlichen Würde und der damit verbundenen, weltlichen Macht. Der Unnachgiebige Ausdruck ihrer Maskenhaften Gesichter trug nicht gerade zu Wittreks Frieden bei. Mit einem kurzen Blick zur rechten Seite versuchte er auch ihren Blicken aus zu weichen. Da geschah es. Das wovor er sich die ganze Zeit gefürchtet hatte, was er mit aller Macht vermeiden wollte traf ihn gänzlich unvermittelt. Sein Blick traf den des alten Abtes. Auf dem Weg durch die Hinrichtungstätte hatte er sich ausgemahlt, was er in den Augen dieser Menschen wohl würde lesen können. Dieser Menschen, die er Wittrek vom Stein der Folter ausgesetzt und dem Tode geweiht hatte, nur um seine Habgier zu stillen. Sie mussten ihn Hassen für das, was er ihnen angetan hatte, ihn verachten für seine Niedertracht und Gier. Hassen für all die boshaften Pläne und Intrigen, die in dieser Orgie aus Gewalt und Schmerz gipfelten und im Feuer der Bannkreuzer ihre grausame Erfüllung fanden. All diese Verachtung, diesen Hass und die Anklage dieser ungeheuerlichen Verbrechen glaubte er im Blick des Abtes zu finden, als der den seinen kreuzte.
Doch das was er dort las. Was er in diesem Blick fand, sollte ihn an den Rand des Wahnsinns bringen und ihn an seiner eigenen Schuld verzweifeln lassen. Kein Hass, keine Verachtung fand er dort, sondern grenzenloses Mitleid und Bedauern. Wittrek wusste in diesem Moment mit absoluter Klarheit, der Abt bedauerte nicht sein eigenes Schicksal oder das seiner Brüder. Er empfand auch kein Mitleid für sich selbst sondern für Wittrek. Diese Erkenntnis traf ihn mit einer Wucht, die den Verstand eines Menschen zerschmettern konnte. Kein Wort, kein Schwerthieb und keine Klage hätte ihn jemals so treffen können, wie dieser Blick. Etwas zerbrach in Wittrek und er taumelte die letzten Schritte als sei er in einer Schlacht verwundet worden. Als er die Reihe der Bannkreuzer erreicht hatte, drehte er sich schwerfällig, wie in Trance um. Er beobachtete die Geschehnisse wie durch einen Schleier oder aus weiter Ferne. Sämtliche Gefühle waren einem dumpfen, unbeteiligten Nichts gewichen. Es lies ihn deswegen auch seltsam unberührt als die Bannkreuzer Fackeln in die Scheiterhaufen stießen. Er nahm mit stumpfer Gleichgültigkeit zur Kenntnis, dass die Ordenspriester den Scheiterhaufen des Abtes zuletzt entzündeten. Der musste mit ansehen wie seine Brüder verbrannten, bevor er ihr Schicksal teilte.
Schnell wurde die Hitze der Feuer im Hof so groß, dass die Bannkreuzer in den Klostergarten zurück wichen. Sie nahmen in Kauf, dass sich das Feuer auf die brennbare Bauteile der Abtei ausbreitete. Vielleicht steckte sogar Absicht dahinter, was spielte das noch für eine Rolle? Wittrek konnte sich noch an die Gluthitze der Feuer erinnern. Aber das schlimmste war der Geruch des brennenden Fleisches.
Immer wieder hatte sich Wittrek in den letzten Monaten gefragt, wie er durch das flammende Inferno des Hofes in die Kapelle gelangen konnte. Immer wieder hatte er zu Leodane und dem Einen gebetet sie mögen ihm sein Gedächtnis wieder geben. Aber der Rest des Tages blieb im Dunkel des Vergessens verborgen. Woran er sich dann wieder Erinnerte war das Erwachen im Innern der Kapelle. Er lag auf kalten Steinboden ausgestreckt mit dem Gesicht nach unten. Zuerst dachte er, dies sei das große Nichts und er müsse endlich für seine Missetaten zahlen. Doch der stechende Schmerz in seiner Kehle und die Kälte des Bodens holten ihn zurück in die wirkliche Welt. Die zarten Strahlen der Morgensonne, die durch die bunt bemahlten Fenster der Kapelle drangen, mahlten bunte Punkte an die Sandsteinwand und gaben dem Ort etwas Zauberhaftes. Wittrek konnte sich gut daran erinnern wie er sich mühsam aufrichtete. Wie lange er da gesessen hatte vermochte er nicht mehr zu sagen. Aber es musste eine Weile gedauert habe bevor er sie sah. Ihre Schönheit verschlug ihm die Sprache. Die milde Güte ihres Blickes wärmte ihm das Herz. Er erkannte sofort, dass es eine Statue war, aber zugleich hatte er das Gefühl sie sei weit mehr als das. Sie blickte ihn an und nahm ihn wahr. Wittrek musste sich eine Träne aus dem Augenwinkel wischen als er an das Erlebnis zurück dachte. Die Heilige war dort gewesen und sie hatte mit ihm gesprochen. Es war nicht einmal das größte Leodanebildnis der Kapelle gewesen. Die zum Kloster gewandte Seitenwand war durch die Hitze geborsten und herunter fallende Trümmer hatten die Statue zerstört, die Leodane in Rüstung mit Wehr und Waffen zeigte. Aber in der Nische unter der er gelegen hatte gab es noch eine kleinere Darstellung der Heiligen. Mit dem Licht der Erkenntnis in der einen Hand und dem Kelche des Mutes in der anderen. Er wusste nicht warum, aber sie hatte ihm die Gnade ihres Verzeihens geschenkt. Es war das letzte Kloster des Ordens gewesen, den sie vor sechshundert Jahren gründete. Durch seine Schuld waren das Kloster zerstört und die Mönche ermordet worden. Und er konnte es kaum fassen, sie verzieh ihm das, tröstete ihn, leistete ihm Beistand. Aber sie ließ auch keinen Zweifel an seiner Aufgabe. So schwor er ihr, auf seinen Knien, nie wieder seine Stimme zu erheben um weltliche, profane Dinge zu sagen oder Zwietracht zu sähen. Er schwor nie wieder die Feder zu ergreifen um Briefe des Hasses und der Niedetracht zu schreiben. Er schwor, dass nur noch Worte des Gebetes, der Lobpreisung der Heiligen und des einen Gottes oder Gottgefällige Mahnungen über seine Lippen kommen sollten. Es gab noch einen Leoniten. Einen der das Wort der Heiligen in die Welt tragen konnte; Ihn!
Seit diesem Morgen sprach die Heilige mit ihm. Mal laut mal leise, mal mit der Zunge anderer. Aber nie gab es den geringsten Zweifel für ihn, dass sie es war. Er verzichtete auf seinen Titel und all seine Ländereien, legte Seide und Schmuck ab. Er setzte die Überreste der Mönche in der Krypta der Kapelle bei. Er verbrachte Wochen damit die Trümmer des Klosters nach Relikten, Büchern und anderen Heiligtümern zu durchsuchen. Aber es gab nur noch die wenigen Kultgegenstände der Kapelle, die Statue und ein schweres Leonitenkreuz an einer Messingkette.
Dann machte er sich auf den Weg. Anfangs ging er zu Fuss, nur mit einer einfachen schwarzen Leinenkutte bekleidet. Er trug die Statue mit bloßen Händen und folgte den alten Pilgerpfaden der Leoniten durch so manches Weltentor. Er traf auf rechtschaffene Seelen, die ihn und seine Heilige ehrten. Sie spendeten ihm Speis und Trank, Waffen und Rüstung, ja sogar Esel, die ihm helfen sollten den Willen seiner Heiligen zu erfüllen. Schließlich hatte ihn sein Weg hierher geführt. Auf eine Lichtung in einem kleinen Wald. Dieses Land gehörte einem Mann, dessen größte Verfehlung seine Habgier war. Und dennoch hatte er mutig gekämpft und Gutes getan. Und er hatte ihn gerufen zu ihm zu kommen. Auch hier spürte er das Wirken seiner Herrin. Der Markgraf hatte ihn in seinem Brief als heiligen Mann tituliert. Wittrek musste Grinsen als er daran dachte. Nein heillig war er wahrhaftig nicht. Auch schien Roderich ständig den Namen der Heiligen zu vergessen. Aber ihre Güte und das Gefühl der Nähe des Einen, das hatte dieser wackere Mann nicht vergessen. Und darum ging es. Jede Seele konnte vom Nichts gerettet werden, und jede war es wert. Wittrek atmete tief durch und ging zu seinem Esel hinüber. Roderich wartete bestimmt schon. Er musste sich sputen sonst wäre er gezwungen dem Markgraf ein Vermögen als Buße für seine lästerlichen Flüche abzunehmen. Fast hätte er laut gelacht bei dem Gedanken an die lautmalerischen Kraftausdrücke des Edelmannes. Andererseits, vielleicht sprang ja der Platz für eine kleine Kapelle zu Ehren Sankt Leodanes auf der Burg des Markgrafen und ein beträchtlicher Teil der Baukosten dabei heraus. Wittrek begann den Esel ab zu schirren und richtete ein Lager für die nächsten Tage ein. Wieder einmal hatte ihm Leodane die richtigen Gedanken eingegeben. Die Wege des Einen und seiner Heilligen waren unergründlich, und ... Wunderbar!

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